Freitag, 16. September 2022

Spekulationsfrist bei Immobilienverkäufen - Wie kann diese vermieden werden?

 Oft stellen sich Immobilienbesitzer bei einer geplanten Veräusserung der Immobilie die Frage, wie man als Verkäufer von Immobilien sicher sein kann, nicht in die „Spekulationsfrist-Falle“ bei vermieteten Immobilien zu tappen. Gilt das Datum des Notartermins bei Erwerb und Veräußerung als maßgebliche Zeitspanne oder eher doch der Eintrag bzw. die Löschung des Eigentums im Grundbuch? In diesem Beitrag wird der Sache einmal auf den Grund gegangen.

Wie ist die steuerliche und rechtliche Sichtweise?

Danach sind Gewinne aus dem Verkauf von Grundstücken und Immobilien – nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG – einkommenssteuerpflichtig, sofern der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Dabei kommt der Auslegung der Begriffe „Anschaffung“ und „Veräußerung“ eine entscheidende Bedeutung zu.

Die Anschaffung wird mit dem Abschluss des notariellen Kaufvertrags als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft verwirklicht. Unbeachtet bleibt in den meisten Fällen die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums (Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten). Gänzlich keine Berücksichtigung erhält die Eintragung des Eigentumsübergangs in Abteilung I im Grundbuch. Ebenso verhält es sich bei der Veräußerung von Immobilien. Auch hier gilt der Tatbestand als gegeben, wenn das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft – bei Abschluss des Verkaufsvertrages – erfolgt ist.

Die taggenaue Fristberechnung erfolgt nach den §§ 187, 188 BGB und stellt auch dann keinen sogenannten Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) dar, wenn es sich lediglich um einen einzigen Tag handelt. Dennoch gibt es bei dem Erwerb oder der Veräußerung verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, die – trotz der eindeutigen Rechtsprechung – in Einzelfällen Fragen aufwerfen.

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Drei davon werden nachvollgend skizziert:

  1. Die aufschiebende bedingte Veräußerung
    Die zehn-Jahres-Spekulationsfrist beginnt nicht erst bei Rechtswirksamkeit des Kaufvertrages. Auch ein sogenannter schwebend unwirksamer Vertrag kann ausreichen, den Veräußerungstatbestand zu verwirklichen. Hierzu ein Beispiel:
    Herr Max Mustermann (Name frei erfunden) erwarb am 01.05.2012 ein vermietetes Mehrfamilienhaus für 500.000,00 EUR und veräußerte dieses wiederum am 01.04.2022 für  600.000,00 EUR. Eigentlich ein klarer Fall: die Veräußerung fällt innerhalb der Zehn-Jahres-Spekulationsfrist und Herr Mustermann müsste seine Gewinne versteuern. Allerdings befindet sich die Immobilie in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet und die Veräußerung des Mehrfamilienhauses bedarf – nach § 144 BauGB – einer schriftlichen Genehmigung der Gemeinde. Erst zu diesem Zeitpunkt wird der Kaufpreis auch fällig gestellt. Diese Genehmigung wurde erst am 14.05.2022 erteilt – also nach Ablauf der Zehn-Jahresfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Da sich Herr Mustermann in dem Kaufvertrag das Recht einräumen ließ, dass er bis zur Erteilung der behördlichen Genehmigung vom Vertrag einseitig zurücktreten kann, entstanden zum Zeitpunkt der Beurkundung am 01.04.2022 noch keine Erfüllungsansprüche – sondern erst mit Erteilung der Genehmigung der Gemeinde am 14.05.2022 – demnach also außerhalb des Spekulationszeitraumes. Der Vertrag war bis zu seiner Genehmigung durch die Gemeinde schwebend unwirksam, da eine Vertragspartei bis zu dem Zeitpunkt einseitig von dem Vertrag hätte zurücktreten können (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.03.2021; Az. IX R 10/20). Hätte Herr Mustermann sich dieses einseitige Rücktrittsrecht nicht einräumen lassen, dann wäre der Tatbestand des Erfüllungsanspruchs bereits zum Zeitpunkt des Notartermins am 01.04.2022 eingetreten und der Gewinn wäre steuerpflichtig geworden.
  2. Auftreten vollmachtloser Vertreter
    Kann durch das Auftreten eines vollmachtlosen Vertreters ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn vermieden werden? Hierzu muss wieder Herr Max Mustermann als Beispiel herhalten:
    Herr Mustermann erwarb am 01.05.2012 für 500.000,00 EUR ein vermietetes Mehrfamilienhaus. Am 01.04.2022 veräußerte er es an die Erwerberin Maxine Musterfrau (Name frei erfunden) für 600.000,00 EUR, die allerdings nicht persönlich zu dem Beurkundungstermin erscheint, sondern vollmachtlos von einer Freundin vertreten wird. Frau Musterfrau genehmigt den Vertrag mit einer notariell beurkundeten Erklärung am 05.05.2022. Wirkt bei einem notariellen Kaufvertrag auf der Käuferseite ein vollmachtloser Vertreter mit, so gilt das Rechtsgeschäft erst als geschlossen, wenn die Genehmigung der Käuferin erteilt wird – in unserem Beispiel demnach außerhalb der Spekulationsfrist von zehn Jahren. Der BFH begründet dies in seinem Urteil vom 02.10.2001 (Az. IX R 45/99) damit, dass vor der Genehmigung durch die Käuferseite noch keine vertraglich begründeten Ansprüche als aktuelle Ansprüche entstanden sind und somit nicht geltend gemacht werden können. Somit befindet sich die Veräußerung des Objektes außerhalb der Spekulationsfrist und ist demnach steuerbefreit.
  3. Ein bindendes Angebot als Veräußerung
    Unter der Voraussetzung, dass bei einem Kaufangebot rechtlich und tatsächlich eine Situation gegeben ist, die auch bei einem Verkaufsvertrag gegeben ist, kann ein Verkaufsangebot einem Verkauf gleichgestellt werden. Dies hat der BFH in einem Urteil (Az. VI R 166/67) vom 07.08.1970 verkündet. Auch in unserem letzten Beispiel sind Frau Musterfrau und Herr Mustermann wieder mit von der Partie:
    Herr Mustermann erwarb am 01.05.2012 für 500.000,00 EUR ein vermietetes Mehrfamilienhaus. Am 01.04.2022 gibt er gegenüber Frau Musterfrau ein notariell beurkundetes Verkaufsangebot über 600.000,00 EUR ab. In diesem Verkaufsangebot wurde vermerkt, dass die Erwerberin lediglich und ausschließlich in der Zeit zwischen dem 10.05.2022 und 10.06.2022 dieses Angebot annehmen kann und erst bei der Annahme des Verkaufsangebots der wirtschaftliche Übergang erfolgt. Da Herr Mustermann ein bindendes Angebot gegenüber Frau Musterfrau abgegeben hat, kann er von seiner Seite aus nicht mehr zurücktreten oder es widerrufen. Auch der Umstand, dass das Verkaufsangebot lediglich in dem Zeitfenster vom 10.05.2022 bis zum 10.06.2022 angenommen werden kann, steht dem nicht entgegen, da Herr Mustermann vor dem 10.05.2022 keine Widerrufsmöglichkeit hat. Auch ist das bindende Verkaufsangebot nicht einem wirtschaftlichen Verkauf gleichzustellen –  selbst dann nicht – wenn der Verkäufer die Annahme des Angebots für die Käuferin zeitlich beschränkt hat (in unserem Beispiel vom 10.05.2022 bis zum 10.06.2022): Diese zeitliche Beschränkung zeigt lediglich an, dass der Verkäufer nicht vor dem 10.05.2022 veräußern möchte. Zu beachten ist hierbei noch, dass auch der wirtschaftliche Übergang (Besitz, Nutzen und Lasten) nicht vorher an die Erwerberin übergeht, also nach dem Ablauf der Spekulationsfrist. Auch in diesem letzten Beispiel kann Herr Mustermann seine erzielten Gewinne steuerbefreit einnehmen.

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Quelle: NSI Netfonds Structured Investments GmbH